Neuanfang zusammen wohnen

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Getrennt oder zusammen wohnen? Ist Zusammenwohnen (noch) die richtige Wohn- bzw. Lebensform für Sie? Oder anders gefragt: Leben Sie Ihre Bedürfnisse oder die Ihres Partners, Ihrer Partnerin?

Zusammenwohnen zählt für die meisten Paare immer noch zur normalsten Sache der Welt. Und doch ist es nicht für jedes Paar die geeignete Wohnform.  Klar, gerade berufstätige Paare leben bedingt durch den Job in unterschiedlichen Wohnungen. Doch immer mehr Paare stellen uns in unserer Praxis die Frage: „Sollten wir vielleicht besser getrennt wohnen (bleiben)? Daher widmen wir uns heute dieser Frage:

Ist es für Ihre Liebe zwingend notwendig sich Bad, Küche und Schlafzimmer zu teilen?

Was für eine Frage denken Sie jetzt vielleicht. Aber gerade wenn diese Frage bewirkt, dass Sie sofort mit einem klaren „JA, das ist notwendig und doch auch normal“  antworten, sollten Sie jetzt weiterlesen. Insbesondere wenn es in Ihrer Partnerschaft immer häufiger Streit über die Sauberkeit, die Zeit für persönliche Hobbies oder die Verteilung der Hausarbeit gibt. Und auch wenn Sie schon länger planen zusammen zu ziehen und es dennoch irgendwie nicht hinbekommen oder Sie erst noch darauf warten, dass Ihr Partner oder Ihre Partnerin sich in einigen Punkten verändert bevor Sie zusammen ziehen, sollten Sie über die Frage einmal nachdenken.

Zusammenwohnen ist als Paar doch völlig normal

Liebe, Partnerschaft und insbesondere das Zusammenwohnen war für uns Menschen in den vergangenen Jahrzehnten, ja sogar in den vergangenen Jahrhunderten quasi die einzige Möglichkeit zu überleben. Die Gemeinschaft schützte uns vor allem vor Armut und Hunger. Für viele Paare sind Liebe, Sicherheit, Arbeitsteilung und auch Treue heute noch die wesentlichen Grundpfeiler eines „glücklichen Lebens“.

Doch die Zeiten verändern sich. Unsere Gesellschaft unterliegt einem immer stärker spürbaren Wandel. Gerade jetzt in Zeiten der Corona-Pandemie erleben wir fast täglich Veränderungen. Aber auch vor dieser Pandemie gab es schon viele Hinweise auf einen Wandel innerhalb  unseres sozialen Zusammenlebens – weg vom Familienverbund hin zu immer mehr Individualität. Und damit auch hin zu mehr „Ich will so leben wie ich will“. Und genau an dieser Stelle kommen unsere Bedürfnisse ins Spiel.

Was haben Ihre Bedürfnisse mit Ihrem Zusammenwohnen zu tun?

Schauen wir uns unsere essenziellen Bedürfnisse einmal genauer an. Wenn man nach Bedürfnissen googelt, stellt man schnell fest, dass es unglaublich viele verschiedene Bedürfnisse gibt. Und dass auch verschiedene Bedürfniserklärungsmodelle existieren, zum Beispiel das von Marshall Rosenberg oder die Bedürfnispyramide von Abraham Maslow.

Wir beziehen uns hier auf die limbische Landkarte von Hans-Georg Häuser. Sie erscheint uns die aktuellste, ist wissenschaftlich belegt und trotzdem bei vielen noch recht unbekannt. Doch alle Modelle haben eines gemeinsam: nämlich die Tatsache, dass sich unsere Bedürfnisse und damit auch unsere Lebensumstände im Laufe der Zeit verändern. Und manchmal verändern sich eben auch unserer Bedürfnisse – auch in Bezug auf unsere bevorzugte und für uns „richtige“ Wohnform. Bleiben wir jedoch zunächst noch bei unseren Grund-Bedürfnissen.

Da wir vielleicht eine unterschiedliche Bedeutung dieser Bedürfnis-Begriffe im Kopf haben, möchten wir die drei Grund-Bedürfnisse, die innerhalb von Partnerschaften am wichtigsten aber am wenigsten bewusst sind, kurz definieren:

  1. Sicherheit

Sicherheit beschreibt unser Bedürfnis, ein einmal gewonnenes Gleichgewicht aufrechtzuerhalten. Synonyme dafür sind Balance, Harmonie oder Stabilität.

Zunächst streben wir in unserem Leben und auch in einer Beziehung nach Sicherheit. Denken Sie mal an eine Situation in Ihrem Leben, in dem das Gleichgewicht, die Sicherheit, die Stabilität verloren gegangen ist z.B. durch einen Jobverlust, die Trennung vom Partner oder Partnerin oder gar den Tod eines liebgewonnen Menschen. In diesen Zeiten ist unser Bedürfnis nach Stabilität, nach Sicherheit besonders stark zu spüren. Daher ist es das wichtigste Bedürfnis in unserem Leben.

Wenn wir uns allerdings zu sehr auf Sicherheit im Leben konzentrieren und nicht akzeptieren wollen, dass ständig alles im Wandel ist, dann verkrampfen wir und unser zweites Bedürfnis, das Bedürfnis nach Stimulanz wird nicht oder zu wenig befriedigt. Es bahnt sich dann irgendwann fast unkontrolliert seinen Weg.

  1. Stimulanz

Stimulanz ist das Verlangen, Neuland zu entdecken, neue Reize aufzunehmen, Ekstase zu erfahren, zu wachsen und uns weiterzuentwickeln. Weitere Worte dafür sind „Erregung“, „Neuland“, „Abenteuer“.

Wenn wir den Traummann, die Traumfrau oder den Traumjob gefunden haben, dann gibt uns das eine Menge Sicherheit. Es ist der Fels in der Brandung des sonst so unbeständigen Lebens. Doch sobald wir uns in dieser Sicherheit eingerichtet haben, unseren Partner oder unsere Partnerin glauben genau zu kennen, zu wissen, was von uns im Job erwartet wird, beginnt sich unser nächstes Bedürfnis zu melden: die Stimulanz. Uns wird die Beziehung, der Job zu langweilig. Wir brechen aus unserer Komfortzone aus und stürzen uns in Abwechslung. Der sonst so treue Partner geht plötzlich fremd. Der Kollege, auf den wir uns immer verlassen konnten, wird plötzlich unzuverlässig und streitsüchtig. Wir können uns dem Bedürfnis nach Stimulanz nicht dauerhaft entziehen, denn unsere Nervenzellen lechzen nach Stimulanz. Unser Gehirn will wachsen ansonsten schrumpft es.

  1. Dominanz

Dominanz ist das Bedürfnis, Einfluss auf unsere Umgebung zu nehmen, Wirkung zu hinterlassen, Raum einzunehmen. Egal, für wie schüchtern sich jemand hält: Jeder von uns möchte gern, dass da, wo er ist, genau das passiert, was er für richtig hält. Ob und wie wir unser Bestreben nach Dominanz ausleben, ist eine andere Frage. Andere Begriffe sind „Einflussnahme“, „Durchsetzung“, „Wirkung“.

Gerade bei Paarbeziehungen spielt die Dominanz irgendwann eine entscheidende Rolle. Wir haben das Gefühl, uns schon viel zu oft untergeordnet zu haben. Wir möchten jetzt auch wieder Einfluss nehmen. Einfluss auf die Erziehung der Kinder, unsere finanzielle Situation, die Freizeitgestaltung… Dominanz begleitet uns unser ganzes Leben, erfährt aber viel zu wenig bewusste Beachtung.

Alle Bedürfnisse suchen sich Ihren Weg gelebt zu werden. Wir spüren dann – meist eher unbewusst – dass es uns nach Sicherheit, Stimulanz oder Dominanz drängt. Vordergründig drängt es uns nach irgendeiner Veränderung zum Beispiel dem Wunsch nach mehr Freiraum. Doch dahinter steckt immer eines der drei Grund-Bedürfnisse. Und die haben eben auch einen Einfluss darauf, welche Wohnform gerade für uns die richtige ist.

Kann getrenntes wohnen wirklich funktionieren?

Je nachdem welches dieser drei Bedürfnisse bei Ihnen gerade am wenigsten erfüllt wird, kann ein Zusammenwohnen oder ein getrenntes Wohnen sinnvoll sein. Mal angenommen Sie möchten mehr Zeit miteinander verbringen und Ihre Beziehung ist geprägt von Harmonie und Wertschätzung, dann wäre eine Trennung Ihrer Wohnverhältnisse vermutlich eher keine Option.

Haben Sie allerdings schon viel zu lange auf die „Macken“ Ihres Partners oder Ihrer Partnerin Rücksicht genommen, fühlen Sie sich durch Ihre Beziehung erdrückt oder wünschen Sie sich sehnlichst bestimmte Verhaltensänderungen bei Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin, damit das Zusammenleben (wieder) klappen kann, dann ist das unten vorgestellte Modell vielleicht eine echte Alternative und Lösung Ihrer Probleme!

Getrennte Wohnungen (dauerhaft oder auf bestimmte Zeit) können  eine echte Lösung sein – auch für Paare, die Angst davor haben, dass dann die Beziehung ganz zerbricht. Beim Zusammenwohnen sind auch schon viele Beziehungen auseinander gegangen…

Veränderungen halten uns wach und lebendig

Ja klar, Veränderungen bedeuten immer auch Ungewissheit. Aber die Liebe ist nichts was wir gewiss haben. Denken Sie nur mal an Ihre Verliebtheitsphase zurück. Wie viel Veränderungen gab es da? Wie viel Ungewissheit? Jede Menge! Und doch war es für die meisten von uns die schönste Zeit unseres Lebens!

Daher lohnt es sich mal nach rechts und links zu schauen, wie sich Ihre  Beziehungs-Realität tatsächlich darstellt oder verändert hat und welche weiteren, noch nicht ausprobierten Möglichkeiten Sie haben um Ihre Probleme zu lösen.

Living Apart Together – Auseinander-Zusammenleben

Wir leben in einer Gesellschaft, in der Mama, Papa und drei Kinder nur noch wenig mit der Realität zu tun haben. Die klassische Familie ist in Deutschland zum Auslaufmodell geworden. Die meisten Menschen leben allein – vor allem in den Ballungsgebieten. Und dabei besteht die Gruppe der Single-Wohner nicht überwiegend aus jungen Menschen. Inzwischen lebt jeder Fünfte in Deutschland allein. Doch gilt das tatsächlich auch für Paare? Verändert sich im Zusammenleben von Familien und Paaren in Deutschland wirklich etwas?

LAT (Living Apart Together) nennt sich das zunehmend gängigere Beziehungsmodell, bei der man eine Beziehung führt, aber in getrennten Wohnungen lebt.

Die Vorteile

So entscheiden sich Paare, die dieses Modell leben, bewusst für gemeinsam erlebte Zeit. Sie verringern die durch ein Zusammenleben notwendigen aber meist unbefriedigenden Kompromisslösungen deutlich.  Außerdem werden die als negativ empfundenen Seiten des Partners, der Partnerin, wie zum Beispiel der „zu starke“ oder „zu schwach“ ausgeprägte Ordnungssinn, das nervende Hobby oder die Abneigung bzw. die Vorliebe für ein Haustier, nicht zum Dauerstreithema. Jeder bewahrt sich seine Individualität und darf seine bzw. ihre Macken „beibehalten“.

Als LAT-Paar nehmen Sie viel stärker die liebenswerten Seiten des anderen wahr und schenken den unliebsamen Seiten viel weniger Beachtung. Auch die leidige Diskussion um die Arbeitsteilung entfällt. Jeder ist für seine Aufgaben im eigenen Haushalt zuständig. Das heißt, jeder kocht und spült selbst und putzt die eigene Wohnung nach eigenem ermessen. Jeder übernimmt wieder Verantwortung für sich selbst und löst sich so aus der Überzeugungsfalle, dass der jeweils andere dafür verantwortlich ist, dass man sich glücklich fühlt.

Die Nachteile

Jedoch gibt es auch negative Seiten an diesem Beziehungsmodell. Sie müssen deutlich mehr Zeit und Energie in die Aufrechterhaltung des Wir-Gefühls investieren, da Sie nicht so viel Zeit miteinander verbringen. Das schaffen Sie in der Regel durch tägliche SMS und Telefonate oder auch durch Rituale, die Ihnen gegenseitig zeigen „Du stehst für mich an erster Stelle“. Schwieriger wird es, wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie nur ein Gast in der anderen Wohnung sind. Dies tritt meist auf, wenn Sie Ihr Dominanz-Bedürfnis zu sehr verdrängen. Die Gastposition aufzugeben und aktiv etwas daran zu ändern, wäre eine gute Übung für andere Lebensbereiche, in denen Sie Ihr Dominanz-Bedürfnis (das wir alle haben und brauchen) ebenfalls stärken könnten.

Veränderungen machen Ihnen Angst?

Wir haben bereits erfahren, dass wir Menschen ein Stimulanz-Bedürfnis
haben. Geben wir dem nicht immer wieder Raum, entwickeln wir uns
zurück. Und Getrennt oder zusammen wohnen?sobald wir unserer Angst den Raum geben und damit zu starre Meinungen vertreten oder reflexartig an gewohnten Argumenten oder Umständen festhalten, sorgen wir dafür, dass wir uns in einem Zustand gefangen halten, der uns nicht (mehr) gut tut…

Ach ja, und wir versperren uns dann natürlich auch den Blick für andere Alternativen, für neue Lösungsmöglichkeiten, neue Entwicklungsmöglichkeiten. Und damit verwehren wir uns den Blick auf eine glücklichere, erfülltere Zukunft aus Angst, es könnte schief gehen. Doch schief läuft es bei den Paaren, die unlösbare Probleme zu schein haben ja eh schon… und da hilft es nicht, immer wieder und wieder das Thema mit den gleichen Lösungsversuchen anzugehen. Da müssen neue her! Und auch für all diejenigen, die in einer glücklichen Partnerschaft leben, lohnt es sich mit vermeintlich „verrückten“ Ideen auseinander zu setzen. Das gibt immerhin unserem Gehirn neuen Treibstoff und befriedigt unser Bedürfnis nach Stimulanz.

Also, erlauben Sie sich neue Gedanken zu denken. Probieren Sie neue Wege, auch wenn bisher das Zusammenwohnen für Sie die einzige Alternative war. Seien Sie es sich wert neue Erfahrungen zu sammeln! Eine Trennung ist für uns immer die letzte Möglichkeit, wenn alles andere nicht funktioniert hat. Dann ist eine Trennung – aber vernünftig die Lösung, die letztendlich beide Partner wieder glücklich machen kann.

Egal wo Sie gerade stecken, wir unterstützen Sie gern – sowohl beim Entwickeln neuer Gedanken und Wege wie auch auf Ihrem vielleicht neuen Weg vom Zusammenwohnen hin zum Auseinander-Zusammenwohnen.

Herzliche Grüße

Kerstin & Jörg Janzen