Sprich nicht so mit mir!

Sprich nicht so mit mir!

Am Anfang verstehen wir uns durch Blicke, durch Berührungen. Es braucht nicht viele Worte um zu wissen, zu diesem Menschen fühle ich mich hingezogen und von ihm fühle ich mich verstanden. Und dennoch… das gemeinsame Gespräch ist ebenfalls wichtig. Schon recht früh in der Verliebtheitsphase wollen wir mehr als nur Blicke und Berührungen. Wir wollen uns mitteilen, wollen genauer erkunden was für ein Mensch der andere ist. Und wir suchen nach Beweisen, dass unsere Gefühle, unsere Empfindungen richtig sind. Wir wollen Gewissheit, dass dies tatsächlich der oder die Richtige ist.

In dieser Verliebtheitsphase nutzen wir jede Möglichkeit, um dem Partner nahe zu sein und miteinander zu sprechen. Wir sind aufmerksam, liebevoll und neugierig. Bei wenigen Paaren hält diese wertschätzende Kommunikation ein ganzes Leben, bei den meisten nur relativ kurz. Wir gewinnen innerhalb unserer Beziehung mehr Sicherheit und werden unachtsamer im Umgang miteinander. Meist schleicht sich dann irgendwann die „Alltags-Kommunikation“ ein, bei der es hauptsächlich noch um den Alltag geht. Wer geht auf dem Nachhauseweg noch schnell einkaufen oder wer bringt den Müll runter?

Die gegenseitige Wertschätzung, das neugierige Zuhören und genauso das achtsame Reden bleiben irgendwie auf der Strecke. Und plötzlich hören wir uns selbst oder unseren Partner sagen: Sprich nicht so mit mir!“.

Eigentlich haben wir uns nichts mehr zu sagen…

Streitgespräche werden immer häufiger und zwar über Themen, die es normalerweise gar nicht wert wären darüber zu streiten. Und wenn Sie ehrlich sind, wissen Sie meist auch, dass diese Gespräche nur Nebenkriegsschauplätze sind. Der eigentliche „Krieg“ schwelt tiefer und bleibt vorerst noch unausgesprochen. Bis es richtig knallt. Und da Sie bereits innerlich schon jede Menge Rabattmarken in das Heft „Das werde ich dir irgendwann mal zurückzahlen“ geklebt haben, sind diese Eskalationen meist sehr verletzend. Für beide! Und so gehen Sie irgendwann auch diesen verletzenden Auseinandersetzungen aus dem Weg und dann ist der Zeitpunkt da, wo Sie beide desillusioniert von der Liebe feststellen, dass Sie sich nichts mehr zu sagen haben. Nichts liebevolles mehr aber auch keine Kritik mehr. Ihre Liebe scheint ausgebrannt zu sein.

In uns allen steckt ein wunderschöner Phönix

Viele Paare entscheiden sich an dieser Stelle für die Trennung, weil sie glauben, dass nichts mehr geht und nur jeder für sich den Weg zurück ins Glück finden kann. Hierdurch vergeben sich Paare leider eine der größten Chance im Leben. Die Chance Ihre Beziehung völlig neu zu entdecken und zu gestalten.

Neues kann immer erst entstehen, wenn altes losgelassen wurde. Die Redewendung „Wie ein Phönix aus der Asche“ steht für etwas, das schon verloren geglaubt war, aber in neuem Glanz wieder erscheint. der Phönix steht für das Symbol der Unsterblichkeit, da er die Fähigkeit hatte, sich zu regenerieren, wenn Feinde ihn verwundet hatten. Und genau solch ein Phönix lebt in uns allen. Wir haben alle – und ich meine damit wirklich uns alle – die Fähigkeit uns zu regenerieren und wieder glücklich zu werden. Auch und insbesondere innerhalb von Partnerschaften, die wir als (fast) gescheitert betrachten.

Achtsames erzählen und zuhören stärken uns

Wieder mehr über das eigene Innenleben, die Gefühle, die Freuden und Sorgen erzählen zu dürfen und die des Partners zu erfahren, verbindet uns und lässt uns auch die jeweiligen Reaktionen leichter verstehen und einordnen.

Solch eine achtsame Gesprächskultur bringt die Partnerschaft auch in stressigen Zeiten wieder in ruhigeres Fahrwasser und ermöglicht eine gemeinsame Überwindung der Herausforderungen.

Wer macht den ersten Schritt?

Selbstverständlich können Sie darauf warten, bis Ihr Partner oder Ihre Partnerin Ihnen endlich mal wieder richtig zuhört und tatsächlich an Ihren Sorgen und Gefühlen interessiert ist. Doch dann wird nichts aus dem Phönix… Sie werden nur Asche sehen. Ihre Forderung „Sprich nicht so mit mir!“ macht dann alles nur noch schlimmer…

Jeder ist für sein eigenes Leben und seine Zufriedenheit verantwortlich. Dies ist wohl die wichtigste Erkenntnis innerhalb von Partnerschaften.  Daher motivieren wir die Partner in unseren Gesprächen immer dazu, selbst mit der Veränderung zu beginnen und nicht auf den anderen zu warten.

Üben Sie so oft es geht

Die zwei weiter unten vorgestellten Kommunikationsübungen eignen sich für eine ruhige, ungestörte Abendstunde gemeinsam auf dem Sofa. Oder auch an einem “neutralen Ort”, wie ein Café oder ruhiges Restaurant. Auch Bewegung bringt eine neue Gesprächsatmos-phäre. Probieren Sie doch beim nächsten Sonnenschein während eines Spaziergangs durch den Wald oder um einen See diese Übungen einfach mal aus.

Ist Ihre Beziehung schon so verbrannt und vielleicht anschließend auch schon so erkaltet, dass Sie quasi keine gemeinsame Zeit mehr miteinander verbringen, bitten Sie Ihren Partner noch einmal um ein Gespräch. Hierbei geht es nicht um Schuldzuweisungen sondern darum, den gemeinsamen Weg noch einmal zu reflektieren, zu schauen, wann Sie sich fremd geworden sind und wodurch. Nutzen Sie hierfür eine der Übungen oder erwecken Sie gemeinsam in Paartherapiesitzungen Ihre Phönixe aus der Asche. Wir unterstützen Sie sehr gern dabei.

Praktische Übung 1: Achtsames Zuhören in der Beziehung

Die Übung ist sehr einfach und geht so:

Einer spricht. Der andere hört zu. Und fasst am Schluss das Gesagte zusammen.

So einfach, so gut.

Diese Übung hört sich sehr technisch und unpraktikabel an. Das ist sie anfangs vielleicht auch. Wie das Autofahren lernen eines Schaltwagens. Man konzentriert sich genau auf die einzelnen Schritte und schon schnell hat man es raus und schaltet ganz automatisch.  Also steigen Sie in die Übung ein und lernen Sie Ihre Beziehung wieder in Bewegung zu bringen.

So geht`s:

Ein Partner beginnt von sich zu erzählen. Legen Sie anfangs eine konkrete Zeit fest, vielleicht fünf Minuten, in der nur der eine Partner spricht. Erzählen Sie von einem Ereignis, das Sie bewegt, beschreiben Sie Ihre Gedanken und teilen Sie sich ehrlich mit.

In dieser Zeit gibt es keine Nachfragen oder sonstige Unterbrechungen seitens des zuhörenden Partners. Wenn Sie in der Rolle des Zuhörers sind, dann achten Sie bitte darauf, nicht in Gedanken abzuschweifen. Achten Sie auf die Wortwahl, die Gestik und Mimik Ihres Partners während des Sprechens. Schenken Sie ihm Ihre ganze Aufmerksamkeit und nehmen Sie Unterschiede in der Tonlage, die Sprechgeschwindigkeit bewusst wahr.

Nach Ende des festgelegten Zeitraums wiederholt der Partner, der bisher nur zugehört hat, das Gesagte. Das Verstandene soll in eigenen Worten wiedergegeben werden, jedoch ohne wertende Kommentare. Der erzählende Partner kann die Wiedergabe korrigieren oder noch weitere Informationen ergänzen.

Danach werden die Rollen getauscht. Abschließend sollten beide darüber reflektieren, wie sie sich nach der Übung fühlen.

Hinweis: Es geht bei dieser Übung nicht um den Inhalt des Gesprächs, sondern die Wahrnehmung des Erlebens des Partners. Sie wollen sich weder inhaltlich austauschen noch geht es darum, wer recht hat oder im Unrecht ist.

Ziel der Übung: Sie erhalten einen Einblick in das Gefühlsleben Ihres Partners, so dass Sie ihn besser verstehen, was sie / ihn bewegt.

Praktische Übung 2: Dem Partner achtsame Fragen stellen

Die folgende Achtsamkeitsübung ist auch möglich, ohne dass Sie Ihren Partner einweihen:

Legen Sie sich einen Zeitraum fest, vielleicht 15 Minuten und stellen Sie Ihrem Partner Fragen. Die Fragen sollten auf die sinnliche Wahrnehmung und die verbundenen Emotionen abzielen. Beispiel:

  • Was beschäftigt dich momentan?
  • Welches Erlebnis (in der Kindheit/der Jugend / vor Kurzem) beschäftigt dich heute noch?
  • Was war in der Situation schwierig / herausfordernd / traurig / schön für dich?

Geben Sie Ihrem Partner genug Zeit Antworten zu formulieren und üben Sie keinen Druck aus, indem Sie die nächste Frage zu schnell nachschieben.

Achten Sie während des Zuhörens auch hier auf die Veränderung in der Gestik und Mimik Ihres Partners, beobachten Sie die Tonlage, die Sprechgeschwindigkeit und die Körpersprache. Seien Sie neugierig, so als sprächen Sie zum ersten Mal mit Ihrem Partner.

Wenn ich Ihr Interesse an der Achtsamkeit in der Kommunikation geweckt habe, dann finden Sie hier auf unserer Internetseite demnächst weitere Artikel und Seminarangebote  über achtsames Zuhören und wertschätzende Kommunikation innerhalb der Partnerschaft.